Lelacoders presenta en Ministry of Hacking / Graz

Imatge
Àmbits Temàtics

esc medien kunst labor

 

The smart way to keep people passive and obedi­ent, is to strictly limit the spec­trum of accep­ta­ble opinion, but allow very lively debate within that spec­trum. Noam Chomsky

Things can be thought diffe­rently. Luce Iriga­ray

Die beste Art, Mens­chen passiv und folg­sam zu halten, ist, das Spek­trum akzep­ta­bler Meinun­gen strikt zu limi­ti­e­ren, aber inner­halb dieses Spek­trums sehr leben­di­ges Debat­ti­e­ren zu erlau­ben. Noam Chomsky

Alle Dinge können anders geda­cht werden. Luce Iriga­ray

In Donna Hara­ways „A Cyborg Mani­festo“ entwic­kelt sich die Cyborg – dieses Hybrid aus Mensch und Maschine – über die Begrenzt­heit des Körpers hinaus und bricht so mit jegli­cher Vors­te­llung einer eindeu­ti­gen Einheit des Indi­vi­duums oder der eines klar defi­ni­er­ba­ren Gesch­le­chts. Die Cyborg ist ein Lebe­we­sen, das in der Diskur­si­vität, in der Viel­zahl, im Hybri­den und in der Perver­sion schwelgt. So kann sie sich auch der Eindeu­tig­keit gesch­le­chtss­pe­zi­fis­chen Rollen­ver­hal­tens und der durch sie kons­tru­ier­ten Iden­tität entzi­e­hen.

Das Inter­net entwic­kelt sich zuneh­mend zu einem Ort, an dem mit Indi­vi­du­a­lität, Subjek­ti­vität und Iden­tität ein höchst gefähr­li­ches „Spiel“ betri­e­ben wird: Dem grundsätz­li­chen Ange­bot eines virtu­e­llen Frei­raums steht seine dysto­pis­che Kehr­seite gegenü­ber: sie besteht in Kontro­lle, perma­nen­ter Verfüg­bar­keit, Flüch­tig­keit der Infor­ma­tion, in Iden­titäts­di­ebs­tahl sowie in Hack-Angrif­fen und Attac­ken auf unters­chi­ed­li­chen Ebenen.

Die Gegen­po­si­tion dazu marki­ert das Konzept und die Praxis der Connec­ti­vity – der Fokus liegt hier auf frei­heit­so­ri­en­ti­er­tem Handeln im Inter­net sowie auf der Verbin­dung von tech­nis­cher und sozi­a­ler Vernet­zung. Um dem Ansatz Connec­ti­vity ein sicht­ba­res Forum zu geben, verwan­delt sich das esc medien kunst labor temporär in ein subver­si­ves Head­quar­ter: ein MINISTRY OF HACKING, das mit seinen inter­na­ti­o­nal vernetz­ten Depart­ments Richt­li­nien entwirft, die als Mani­feste verlaut­bart und als räum­li­che Insze­ni­e­run­gen öffent­lich werden. Hier versam­meln sich Künst­le­rIn­nen, um konk­rete, erfahr­bare, und vernetzte Räume zu eröff­nen, die kollek­tiv, spie­le­risch, theo­re­tisch und tech­nisch erfah­ren und gestal­tet werden können.

So besch­rieb Corne­lia Soll­frank (Old Boys’ Network, OBN) in ihrem Mani­fest lokale Akti­vitä­ten etwa als „Kno­ten“, die „kolli­di­e­ren, zerfa­llen, sich rege­ne­ri­e­ren, sich einmis­chen, sich auflö­sen, neu formen, zusam­men­bre­chen, erne­uern, vers­ch­win­den, sich revi­di­e­ren, sich wieder­be­le­ben und sich ausbrei­ten”. (OBN FAQ 7).

Das heißt, dass Akti­vitä­ten nicht in einem Netz­werk gesche­hen, im Gegen­teil – sie sind das Netz­werk aktu­e­ller femi­nis­tis­cher Diskurse, und zwar sowohl im virtu­e­llen als auch im realen Raum. Die stärkste Wirkungs­ma­cht entfal­ten sie dann, wenn sie in die Praxis über­tra­gen werden. Sie exis­ti­e­ren nur in der Connec­ti­vity – also in und durch die Verbin­dung im dyna­mis­chen Raum von Entwick­lun­gen. Dabei spielt es keine Rolle ob sie sich virtu­ell oder physisch mani­fes­ti­e­ren; sie können nicht isoli­ert von dieser Verbin­dung betra­ch­tet werden.

Werden „Kunst, Hacking und Femi­nis­mus“ – aufei­nan­der bezo­gen und reflek­ti­ert, geschi­eht dies seit eini­ger Zeit unter der Bezei­ch­nung Hack­ti­vism. Damit wird eine Hand­lungss­tra­te­gie besch­ri­e­ben, die sich aus der Verbin­dung von poli­tis­chem Enga­ge­ment (Akti­vis­mus) und Zivil­cou­rage sowie tech­nis­chem Know-How ergibt.

So folgt etwa subROSA diesem Denkan­satz und funk­ti­o­na­li­si­ert dabei ihre künst­le­ris­chen Akti­vitä­ten zur Kritik an „den Bezi­e­hun­gen zwis­chen digi­ta­len Tech­no­lo­gien, Biote­ch­no­lo­gien und den Körpern / dem Leben / der Arbeit von Frauen“ um. Das Ziel von Hack­ti­vis­tin­nen ist es – wie beim Elec­tro­nic Distur­bance Thea­tre –, einen gemein­sa­men Raum zu schaf­fen, in dem es möglich wird, vers­chi­e­dene Medien zu mischen, Gren­zen zu übers­ch­rei­ten und künst­le­ris­che Ausdrucks­for­men mitei­nan­der zu verknüp­fen. Außer­dem machen sie – als Ausdruck posi­ti­ver und eman­zi­pi­e­ren­der Aspekte des vernetz­ten Denkens und Handelns – durch ihre spezi­fis­che Art der Verbrei­tung Infor­ma­tion für alle repro­du­zi­er­bar, denn „im digi­ta­len Zeital­ter können widerstän­dige Cultu­ral Produ­cers die Rekom­bi­na­tion (ihrer Infor­ma­tion, Anm.) für subver­sive Zwecke akzep­ti­e­ren.“

In ihrem Verständ­nis von Femi­nis­mus als „Met­hode zur Abschaf­fung von Domi­nan­zi­de­o­lo­gien“ (bell hook) und als „wei­bli­che Orga­ni­sa­ti­ons­form, die Unters­chi­ede respek­ti­ert, um daraus krea­tive Projekte zu entwic­keln – in Soli­da­rität mit ande­ren, die an ähnli­chem arbei­ten“ (subROSA), versam­meln sich 2014 in Graz Künst­le­rin­nen und Künst­ler, die aktu­e­lle, konk­rete, erfahr­bare, vernetzte Räume eröff­nen, in denen kollek­tiv (subROSA), spie­le­risch (Nancy Mauro-Flude, Nick Smit­hies, Valen­tina Vuksic, Marthe van Dessel, Johanna Kirsch), theo­re­tisch (digi­tal­cou­rage, Rena Tangens und pade­luun, cons­tant, Femke Snel­ting, Peter Westen­berg) und tech­nisch (Spide­ra­lex, Tati­ana de la O, Sophie Toupin) erlebt und gemein­sam gestal­tet wird – mit dem Ziel, heraus­zu­fin­den, was ein von „Hack­ti­vis­tas“ (Faith Wilding) geschaf­fe­ner „Ser­ver“ sein kann.

Im MINISTRY OF HACKING wird jedoch auch die Frage aufge­wor­fen, wie und wann sich das Öffent­li­che und das Private so inei­nan­der vers­cho­ben haben, dass wir nunmehr beim trans­pa­ren­ten – im Sinn des über­wa­ch­ten – Mens­chen ange­langt sind. Im Blog „Netz­po­li­tik“ analy­si­ert Elisa­beth Pohl dieses Phäno­men anläss­lich der Euro­DIG 2014 und ziti­ert dabei Rikke Frank: „Wenn immer mehr private Orga­ni­sa­ti­o­nen das Inter­net beherrs­chen, so muss sicher­ges­tellt werden, dass diese sich an grund­le­gende Normen wie Mens­chen­re­chte halten, was sich vor allem über mehr Trans­pa­renz verwirk­li­chen ließe.“ Sie verweist aber dabei auch auf den ents­chei­den­den Unters­chied zwis­chen der physis­chen und virtu­e­llen öffent­li­chen Sphäre: „Im physis­chen Raum kann man sich theo­re­tisch versam­meln, oder handeln, ohne dass etwas aufge­zei­ch­net wird. Im virtu­e­llen Raum hinterlässt man immer Spuren, die aufge­zei­ch­net und gespei­chert werden können.“ Die Forde­run­gen nach Schutz der Privatsphäre und der Wahrung von Anony­mität werden stär­ker.

Die dysto­pis­che Seite aktu­e­ller Tech­no­lo­gien zeigt sich in Kontro­lle (durch Firmen, Regi­e­run­gen oder auch in Form von sozi­a­ler Kontro­lle in social media), in schein­bar perma­nen­ter Verfüg­bar­keit (die auf andere Lebens­be­rei­che umge­legt wird), in medi­a­ler Flüch­tig­keit und Iden­titäts­di­ebs­tahl (der bis zur Auflö­sung der gesam­ten elek­tro­nis­chen Persona führen kann) sowie in Attac­ken von Forum- und Blog­kom­men­ta­ren, Twit­ters­torms, Hash­tag-Kampag­nen oder Hate Spee­ches. Anony­mität wird hier plötz­lich zur Angriffs­waffe.

Die Ambi­guität von Anony­mität (Seda Gürses) zeigt sich hier am deut­li­chs­ten: jede/r kann beli­e­bige Iden­titä­ten anneh­men und unter einem Pseu­donym (das auch der reale Name einer realen ande­ren Person sein kann) agie­ren. Für Nutze­rIn­nen und Betrof­fene jedoch bleibt die Iden­tität des Agie­ren­den verbor­gen. Nur Firmen und (poten­zi­ell) Regi­e­run­gen haben Zugriff auf diese Infor­ma­tion. Anders als im „Wahr­heits­mi­nis­te­rium“ („Ministry of Truth“, George Orwell, „1984“: die Geschi­chte/Vergan­gen­heit/Iden­tität wird je nach aktu­e­llem Bedarf umges­ch­ri­e­ben) oder im „Infor­ma­ti­ons­mi­nis­te­rium“ („Ministry of Infor­ma­tion“, Terry Gilliam, „Bra­zil“: das Minis­te­rium als Normi­e­rung­sans­talt) macht sich das MINISTRY OF HACKING mit seinen neuen Arbeits­grup­pen („Depart­ment of Trust“, „Depart­ment of Shadows and Waves“, „Depart­ment of Care and Wonder“, „Depart­ment of Anony­mity“, „Depart­ment of Diffe­rence“, „Depart­ment of Tacti­cal Femi­nism“) auf die Suche nach Mögli­ch­kei­ten des Ausleu­ch­tens und Gege­nei­nan­der-Abwä­gens dieser viels­chi­ch­ti­gen und allge­genwär­ti­gen Tech­no­lo­gien.

|| > zusam­menk­lap­pen

Koope­ra­ti­o­nen/Kopro­duk­ti­o­nen: 

Kopro­duk­tion mit stei­ris­cher herbst, Koope­ra­tion mit musik­pro­to­koll